Redak­tion „novinki“

Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin
Sprach- und lite­ra­tur­wis­sen­schaft­liche Fakultät
Institut für Slawistik
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Es bedarf Konzentration und einer ruhigen Hand. Ein fester geübter Schlag mit dem Hammer und der Tellur-Nagel gleitet in den zuvor sauber rasierten und desinfizierten Schädel. Danach ist man entweder tot oder wandelt auf langersehnten Pfaden der Glückseligkeit. Wie man sich vor allem Letzteres vorzustellen hat und wie unser Leben in Zukunft aussehen könnte, verrät Vladimir Sorokin in seinem neuesten Roman "Tellurija".

Die Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit kommt in Georgien im Schneckentempo voran. Umso wichtiger ist es, dass die Literatur an jene Vergangenheit erinnert. In seinem preisgekrönten Dokumentarroman "Westflug" nimmt sich Dato Turaschwili die Geschichte der Tiflisser Flugzeugentführung im November 1983 vor – und rekonstruiert den Fall mit beeindruckender Eindringlichkeit.

Viel Zeit hatte die Litauerin Dalia Grinkevičiūtė nicht, um ihre Erinnerungen an die Deportation und das Leben in der Arktis niederzuschreiben. In knappen Worten beschreibt sie den Hunger, die Kälte, ihre Hoffnungen und Ängste. Vor allem aber gibt sie eindringlich Zeugnis vom menschlichen Überlebenswillen. "Aber der Himmel – grandios", längst Pflichtlektüre an litauischen Schulen, ist im Jahr 2014 endlich auch auf Deutsch erschienen.

1914 – 2014. Es ist wieder Denkmal-Zeit. In ganz Europa gedenken wir des ersten Weltkriegs und des Ereignisses, welches ihn auslöste. Dem Schützen, der in Sarajevo den österreichisch-ungarischen Thronfolger mit zwei Schüssen tötete, werden noch heute in Bosnien und Serbien Denkmäler gebaut. Die serbische Autorin Biljana Srbljanović will sie stürzen – und stellt doch in ihrem Drama "Mali mi je ovaj grob" (dt. Dieses Grab ist mir zu klein) nur

„Mein Buch ist gar nicht so fantastisch, wie es zuerst vorkommen mag: Das alles kann eigentlich jeden Tag wahr werden“, kommentiert die russische Schriftstellerin Alissa Ganijewa ihren ersten Roman, der Anfang dieses Jahres auch auf Deutsch erschienen ist. Die bisher vor allem als Literaturkritikerin bekannte junge Autorin beschreibt den Alltag im umstrittensten Teil Russlands – Dagestan – und präsentiert ein Szenario möglicher Konsequenzen des Extremismus und der Zerspaltung.

Elena Gorokhova, die mit dem autobiografischen Roman "Goodbye Leningrad" ("A Mountain of Crumbs") ihr Debüt vorgelegt hat, begriff schon als Kind, was die sowjetische Gesellschaft zusammenhält: Im Gleichschritt mit dem Kollektiv gehen, um keinen Preis ausscheren. Doch mindestens genauso entscheidend, wenn nicht gar noch entscheidender war ein anderes Element: die Kunst des Lügens.

Alek Popov schreibt einen schelmischen Roman über den bulgarischen Widerstand im Zweiten Weltkrieg: "Die Schwestern Palaveevi im Wirbelsturm der Geschichte" ("Sestri Palaveevi v burjata na istorijata"). Die deutsche Übersetzung ist unter dem märchenhaften Titel "Schneeweißchen und Partisanenrot" beim Residenz Verlag erschienen.

In einer bescheidenen Auflage ist das Tagebuch der Polina Žerebcova ("Dnevnik Žerebcovoj Poliny") 2011 zunächst erschienen. Vor Kurzem wurde ein weiterer Teil des Tagebuchs veröffentlicht: "Muravej v stekljannoj banke" („Ameise im Glas“). Žerebcova beschreibt ihre Jugend während des zweiten Tschetschenienkriegs – es ist ein privates Tagebuch und zugleich ein öffentliches Dokument: Die Autorin weiß, dass ihre Stimme ein Gegengewicht zur offiziellen Kriegsberichterstattung sein kann.

Schimmernde, trübe Vergessensflüsse, hetzender Regen, zerspringende Hagelkörner, treibende Nebel, tropfenschwerer Tau – alles fliesst in Arsenij Tarkovskijs Dichtung. Sich dieser Flut hinzugeben, lädt die Herausgeberin und Übersetzerin von Tarkovskijs Gedichten, Martina Jakobson, ein. Erschienen ist der zweisprachige Gedichtband "Reglose Hirsche" Ende 2013 bei Edition Rigerup.

Dominika Chmura wird vom Wind in die Welt hinausgeblasen. Jenem Wind, der alle Figuren in Joanna Bators Roman "Wolkenfern (Chmurdalia)" mal stürmischer, mal zärtlicher umweht. Der Roman spannt einen Bogen zwischen verschiedenen Generationen, verbindet Realität und Mythos – und ist ein Plädoyer für eine selbstbestimmte Lebensweise, die die vergangene und die zukünftige Welt umarmt, ohne sich ihr zu ergeben.