Die Droge ist der Leib des Denkens. Mova von Viktar Marcinovič
Wir schreiben das Jahr 4741 chinesischer Zeitrechnung. Minsk, eine abgelegene Stadt in der nord-westlichen Provinz des chinesisch-russischen Unionsstaates, bietet ein augenscheinlich stabiles Leben. Der Wohlstand ist gesichert, alle gehen ihrer Arbeit nach, Demonstrationen stehen nicht auf der Tagesordnung. Nur eines scheint nicht in das System des Staates zu passen – "Mova".
„Und dann vergiftet mein violettes Blut die Menschheit mit heroischem Blödsinn!“
In ihrem leicht daherkommenden neuen Roman erzählt Julia Kissina mit selbstironischem Pathos von den Erfahrungen der romantisch komplizierten, jungen Elephantina aus Kiev in der Künstlerbohème des Moskauer Underground der 1980er Jahre. Er lässt sich auch als Schlüsselroman lesen.
Das Spiel mit den Zeiten
Eine postmoderne Heiligenvita, die auf wundersame Weise vom Leben und der Relativität der Zeiten erzählt. Der erste Roman Evgenij Vodolazkins in deutscher Übersetzung erschien 2016.
Eine Portion Angespanntheit gegen Reality
Hoffe nicht und verzweifle nicht. Im Prinzip hängt nichts von dir selber ab. Hoffnung und Verzweiflung sind ein und dasselbe, nur von verschiedenen Seiten betrachtet. Deshalb ist die anhaltende Angespanntheit der beste Zustand, in dem man sich befinden kann. Mit seiner "Napet šou"(dt.: „Angespannte Show“) macht sich der serbische Hip-Hop-Schriftsteller Marko Šelić aka Marčelo bereit für das, was kommt.
Die Natur des Bösen – oder der Holocaust in Serbien
Erinnern oder Vergessen? Pointiert und unverblümt schreibt Filip David in "Kuća sećanja i zaborava" ("Das Haus des Erinnerns und des Vergessens") über den Holocaust in Serbien und dessen Folgen bis in die Gegenwart – und nimmt damit ein Thema in den Blick, über das man in Serbien nur ungern spricht. Übersetzt wurde der Roman von Johannes Eigner, dem amtierenden österreichischen Botschafter in Serbien.
Der bulgarische Existenzialist
Was für einen Sinn hat das menschliche Dasein? Nirgends sind wir offensichtlicher mit dieser existenziellen Frage konfrontiert als im Angesicht des Todes. Georgi Gospodinov zeigt uns, dass es keinen Grund zu verzweifeln gibt, solange der Mensch im Geiste frei und der Alltag voll Fantasie ist.
Das Leben eines bedeutsamen Unbedeutenden
Es war einmal ein kleiner Lazik, der ging hinaus in die weite Welt und schlängelte sich so mir nichts, dir nichts unbeschadet durch die Scherben ihrer zerberstenden Fassaden. Il'ja Ėrenburgs lange Zeit in Vergessenheit geratener Roman "Burnaja žizn' Lazika Rojtšvaneca" ("Das bewegte Leben des Lasik Roitschwantz") ist 2016 schelmisch wie sein Protagonist ohne jegliche Erlaubnis der Parteigenossen von den Toten auferstanden.
Das Wasserglas im Sturm
Sascha Potjomkin und Anna Iwanowna – die Namen der beiden Hauptfiguren von Boris Schumatskys neuem Buch lassen einen Historienroman über das russische Zarenreich im 18. Jahrhundert vermuten. Stattdessen ist "Die Trotzigen" die Geschichte einer flüchtigen, kleinen Liebe, einer winzigen Ost-West-Annäherung inmitten spätsowjetischer Umwälzungen.
„Es waren, frei nach Shakespeare, die Tauben und nicht der Pleitegeier“
Mit "Superheldinnen" hat Barbi Marković einen hoffnungslosen und zugleich optimistischen Roman abgeliefert. Er besticht mit Witz und dezidierten Pop-Qualitäten. Was es mit der Gegenüberstellung von Tauben und dem Pleitegeier auf sich hat, offenbart sich zum Ende des Romans und ließe sich mit dem Kalauer „ist das Glas halb leer oder halb voll?“ umschreiben. Oder anders gesagt: Als Rezensent sollte ich nicht spoilern und tue es doch!
Big brothers and sisters are watching you – oder die Abwesenheit des Privaten
Alissa Ganijewa nimmt in ihrem zweiten Roman "Eine Liebe im Kaukasus" ("Ženich i nevesta") das postsowjetische Dorf im Kaukasus unter die Lupe und schildert beeindruckend die fundamentale Veränderung der kulturellen, religiösen und sozialen Werte der dagestanischen Gesellschaft.