http://www.novinki.de

Die Lebensgeschichte eines Lebensbeschreibers

Posted on 16. Juli 2021 by Eva-Maria Putz
In seinem 2016 beim Moskauer AST-Verlag erschienenen Roman "Aviator" (dt. Luftgänger) gibt Evgenij Vodolazkin einen eindrucksvollen Einblick in das bewegte 20. Jahrhundert Russlands. Die detailreich beschriebenen Erinnerungen des Protagonisten ermöglichen eine ganz spezielle Sichtweise, wie sie in keinem Geschichtsbuch zu finden ist.

„‚Was schreiben Sie da dauernd?‘ ‚Ich beschreibe Gegenstände, Eindrücke, Menschen. Ich schreibe jetzt jeden Tag, in der Hoffnung, sie vor dem Vergessen zu retten.‘“

 

In seinem 2016 beim Moskauer AST-Verlag erschienenen Roman Aviator (dt. Luftgänger) gibt Evgenij Vodolazkin einen eindrucksvollen Einblick in das bewegte 20. Jahrhundert Russlands. Die detailreich beschriebenen Erinnerungen des Protagonisten ermöglichen eine ganz spezielle Sichtweise, wie sie in keinem Geschichtsbuch zu finden ist.

 

Nach seinem internationalen Bestseller Lavr (dt. Laurus) wartet der 1964 in Kiew geborene und in Sankt-Petersburg lebende Literaturwissenschaftler und Autor erneut mit einem faszinierenden Meisterwerk auf.

 

Ein Mensch – ein Jahrhundert

„‚Und Sie sind Innokenti Petrowitsch Platonow, nicht wahr?‘ ‚Das kann ich nicht bestätigen. Wenn er es sagt, hat er wohl seine Gründe dafür.‘“ Sehr wohl, die hat er. Doch Dr. Gejger weigert sich, seinem soeben nach langer (ausgesprochen langer) Zeit wieder zu Bewusstsein gekommenen Patienten Einzelheiten zu schildern. Vielmehr fordert er Platonov dazu auf, die schrittweise zurückkehrenden Erinnerungen an sein Leben in einem Tagebuch festzuhalten. Und so fängt der etwa 30-jährige Protagonist an zu schreiben: Mit Hilfe von Bleistift und Papier lässt er Droschken über die Straßen von St. Petersburg fahren, Grammophone im Park erklingen und Schlangen von Menschen mit Lebensmittelkarten erstehen.

 

Doch eines Tages macht Platonov eine Entdeckung, die ihn zum Stutzen bringt: Laut Angabe auf der Verpackung wurden seine Tabletten im Jahr 1997 hergestellt. Wie kann es sein, dass er persönliche Erinnerungen an das frühe 20. Jahrhundert hat, sich aber zugleich an dessen anderem Ende befindet? Die Ursachen liegen in einer von Revolution, Denunziation und Lagerhaft beeinflussten Vergangenheit.

 

Minen aus Metall und Blumen aus Plastik

Der erste Teil des Buches gestaltet sich aus den Tagebucheintragungen Platonovs. Diese sind geprägt von bruchstückhaften Rückblenden in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts: Sommer der Kindheit auf der elterlichen Datscha in Siverskaja , Augenblicke der Zärtlichkeit gemeinsam mit seiner Jugendliebe Anastasija in St. Petersburg, Jahre der Strafarbeit auf den Solovki-Inseln , geprägt von Brutalität und Verzweiflung.

 

Nebenher tritt Platonov unumgänglich mit seiner „neuen Zeit“ in Berührung: Kugelschreiber, Computer, Fernseher, künstliche Pflanzen. Seine dazugehörigen Eindrücke lesen sich teilweise durchaus als Kritik an der modernen Gesellschaft: Die „Talkshow“ – im Ton zänkisch und wenig kultiviert – „Sind das wirklich meine neuen Zeitgenossen?“ Und überhaupt Anglizismen: Kurz und klangvoll, bequem und sparsam, „aber früher wurde an der Sprache nicht gespart.“

 

Aufstieg zur weltweiten Berühmtheit

Im zweiten Teil wechselt die Erzählhaltung zwischen Platonov, Dr. Gejger und Nastja, der Enkelin von Anastasija. Die perspektivischen Grenzen verschwimmen dabei zunehmend und lösen sich schließlich vollends auf. Es kommt zu einer philosophischen Kulmination über Leben, Glück und Tod. Einige Textpassagen haben das Potential zu Lebensweisheiten, die es zu rezitieren und diskutieren sich lohnt: „Was geschieht mit dem Leben, wenn es aufhört, Gegenwart zu sein?“

 

Der Fokus der Handlung verlegt sich nun in eine Gegenwart, in der Platonov mittlerweile zu einer weltweiten Berühmtheit aufgestiegen ist: Er gibt Interviews, ist bei Staatsleuten zu Gast und erhält Werbeverträge. Vodolazkin entwirft eine profitgesteuerte Maschinerie, zwischen deren Rädern der Protagonist erdrückt zu werden droht. Die bildliche Vorstellung, dass er nun für Feinfrostprodukte und eingefrorene Preise bei Möbelketten posiert, lässt das Lesepublikum peinlich berührt zurück.

 

 

In seiner Einsamkeit majestätischer Aviator

Die deutsche Übersetzung des Buches stammt von Ganna-Maria Braungardt und erschien 2019 im Aufbau Verlag. Die Worte und Sätze reihen sich flüssig zu einer mitreißenden Geschichte aneinander. Einzig der mit Luftgänger übersetzte Titel passt nicht perfekt ins Bild, da er in keiner direkten Verbindung zum Inhalt steht. Das Kind Platonov träumte davon, Pilot – nein! – Aviator zu werden. Der Klang dieses Wortes vereint „die Schönheit des Fliegens und das Dröhnen des Motors, Freiheit und Kraft“. Dieser melodiöse Archaismus hätte sich auch im Deutschen eine titelgebende Funktion verdient. Zudem lohnt sich ein Blick auf das Cover der russischen Ausgabe, welches den Angelpunkt der Geschichte bildlich aufgreift.

 

Nach diesem Höhenflug heroisch-romantischer Phantasien über die Einsamkeit schlägt der 30-Jährige, gleichsam seinem Helden aus Kindertagen, Robinson Crusoe, auf einer einsamen Insel auf, inmitten von einem Meer fremder Zeit. Dort gibt es kuriose Fernsehsendungen, die das „Überleben“ von mediengeilen Menschen auf einer einsamen Insel dokumentieren. In Anbetracht der Erfahrungen, die Platonov auf den Solovki-Inseln gemacht hat, zeichnet Vodolazkin ein an Zynismus kaum zu übertreffendes Realitätsverständnis.

 

Selbstdarstellung der Persönlichkeit

Das angesprochene Streben nach öffentlicher Selbstdarstellung lässt sich nicht mit dem Zeitgeist der Titelfigur vereinen. Zahlreiche technische Neuerungen haben zu einem Wandel in Interessen und Prioritäten der modernen Gesellschaft geführt. Durch Platonovs distanzierte Betrachtungsweise wird ein kritisches Nachdenken darüber angeregt. Ein bestimmtes gesellschaftliches Phänomen tritt jedoch auch bei ihm auf: Die sogenannte „Fear of Missing Out“, die Angst, etwas zu verpassen – bzw. in Platonovs Fall – etwas verpasst zu haben: „Ich empfinde brennende Sehnsucht nach meinen ungelebten Jahren. Eine Art Phantomschmerz.“

 

Im Gegensatz zu den beschriebenen Veränderungen ist es allerdings überraschend, welche Aussagen Vodolazkin der 19-jährigen Nastja in den Mund legt: „Er ist der Mann, er entscheidet“ oder (an Platonov gewandt): „Zwei Damen sind voll und ganz von dir abhängig“. Hier zeichnet der Autor ein verstaubtes Frauenbild, welches gleichsam wie Platonov vom Anfang des 20. Jahrhunderts stammt, aber keinerlei stilistische Effekte mit sich bringt.

 

Gegen das Vergessen

Bei Aviator handelt es sich um einen historischen Roman mit Elementen der Science-Fiction. Hervorzuheben ist, dass Vodolazkin sowohl auf reale Persönlichkeiten und Begebenheiten zurückgreift als auch fiktive erschafft. Eine Unterscheidung erweist sich (für das in russischer Historie weniger bewanderte Lesepublikum) mitunter nicht immer als offensichtlich. Es lohnt sich daher, zwischendurch den einen oder anderen Namen nachzuschlagen und so auch spannende Hintergrundinformationen einzuholen.

 

Platonov führt seine Tagebucheinträge äußerst malerisch aus. Er ergänzt das bloße historische Material durch Ausführungen zu Geräuschen und Gerüchen, mit der Begründung, dass diese nicht in den Geschichtsbüchern nachgelesen werden können. Somit schreibt er gegen das Vergessen – ein Appell an die Lesenden des Romans. Mit diesem ist Vodolazkin ein wahrer Kunstgriff gelungen. Er verwebt ein spannendes Forschungsgebiet der Zukunft mit geschichtsträchtigen Ereignissen der Vergangenheit. Zusammen ergibt sich eine Handlung, welche mitreißend erzählt und zudem mit einigen überraschenden Wendungen gespickt ist.

 

Literatur

Vodolazkin, Evgenij: Aviator. Moskva 2016.

Wodolaskin, Jewgeni: Luftgänger. Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt. Berlin 2019.

Die Lebensgeschichte eines Lebensbeschreibers - novinki
Redak­tion „novinki“

Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin
Sprach- und lite­ra­tur­wis­sen­schaft­liche Fakultät
Institut für Slawistik
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Die Lebens­ge­schichte eines Lebensbeschreibers

„‚Was schreiben Sie da dau­ernd?‘ ‚Ich beschreibe Gegen­stände, Ein­drücke, Men­schen. Ich schreibe jetzt jeden Tag, in der Hoff­nung, sie vor dem Ver­gessen zu retten.‘“

 

In seinem 2016 beim Mos­kauer AST-Verlag erschie­nenen Roman Aviator (dt. Luft­gänger) gibt Evgenij Vodo­lazkin [Jew­geni Wodo­laskin] einen ein­drucks­vollen Ein­blick in das bewegte 20. Jahr­hun­dert Russ­lands. Die detail­reich beschrie­benen Erin­ne­rungen des Prot­ago­nisten ermög­li­chen eine ganz spe­zi­elle Sicht­weise, wie sie in keinem Geschichts­buch zu finden ist.

 

Nach seinem inter­na­tio­nalen Best­seller Lavr (dt. Laurus) wartet der 1964 in Kiew gebo­rene und in Sankt-Peters­burg lebende Lite­ra­tur­wis­sen­schaftler und Autor erneut mit einem fas­zi­nie­renden Meis­ter­werk auf.

 

Ein Mensch – ein Jahrhundert

„‚Und Sie sind Inno­kenti Petro­witsch Pla­tonow, nicht wahr?‘ ‚Das kann ich nicht bestä­tigen. Wenn er es sagt, hat er wohl seine Gründe dafür.‘“ Sehr wohl, die hat er. Doch Dr. Gejger [Geiger] wei­gert sich, seinem soeben nach langer (aus­ge­spro­chen langer) Zeit wieder zu Bewusst­sein gekom­menen Pati­enten Ein­zel­heiten zu schil­dern. Viel­mehr for­dert er Pla­tonov [Pla­tonow] dazu auf, die schritt­weise zurück­keh­renden Erin­ne­rungen an sein Leben in einem Tage­buch fest­zu­halten. Und so fängt der etwa 30-jäh­rige Prot­ago­nist an zu schreiben: Mit Hilfe von Blei­stift und Papier lässt er Droschken über die Straßen von St. Peters­burg fahren, Gram­mo­phone im Park erklingen und Schlangen von Men­schen mit Lebens­mit­tel­karten erstehen.

 

Doch eines Tages macht Pla­tonov eine Ent­de­ckung, die ihn zum Stutzen bringt: Laut Angabe auf der Ver­pa­ckung wurden seine Tabletten im Jahr 1997 her­ge­stellt. Wie kann es sein, dass er per­sön­liche Erin­ne­rungen an das frühe 20. Jahr­hun­dert hat, sich aber zugleich an dessen anderem Ende befindet? Die Ursa­chen liegen in einer von Revo­lu­tion, Denun­zia­tion und Lager­haft beein­flussten Vergangenheit.

 

Minen aus Metall und Blumen aus Plastik

Der erste Teil des Buches gestaltet sich aus den Tage­buch­ein­tra­gungen Pla­to­novs. Diese sind geprägt von bruch­stück­haften Rück­blenden in das erste Drittel des 20. Jahr­hun­derts: Sommer der Kind­heit auf der elter­li­chen Dat­scha in Sive­r­s­kaja [Siwer­s­kaja], Augen­blicke der Zärt­lich­keit gemeinsam mit seiner Jugend­liebe Ana­sta­sija [Ana­st­as­sija] in St. Peters­burg, Jahre der Straf­ar­beit auf den Solovki-Inseln [Solowki-Inseln], geprägt von Bru­ta­lität und Verzweiflung.

 

Nebenher tritt Pla­tonov unum­gäng­lich mit seiner „neuen Zeit“ in Berüh­rung: Kugel­schreiber, Com­puter, Fern­seher, künst­liche Pflanzen. Seine dazu­ge­hö­rigen Ein­drücke lesen sich teil­weise durchaus als Kritik an der modernen Gesell­schaft: Die „Talk­show“ – im Ton zän­kisch und wenig kul­ti­viert – „Sind das wirk­lich meine neuen Zeit­ge­nossen?“ Und über­haupt Angli­zismen: Kurz und klang­voll, bequem und sparsam, „aber früher wurde an der Sprache nicht gespart.“

 

Auf­stieg zur welt­weiten Berühmtheit

Im zweiten Teil wech­selt die Erzähl­hal­tung zwi­schen Pla­tonov, Dr. Gejger und Nastja, der Enkelin von Ana­sta­sija. Die per­spek­ti­vi­schen Grenzen ver­schwimmen dabei zuneh­mend und lösen sich schließ­lich voll­ends auf. Es kommt zu einer phi­lo­so­phi­schen Kul­mi­na­tion über Leben, Glück und Tod. Einige Text­pas­sagen haben das Poten­tial zu Lebens­weis­heiten, die es zu rezi­tieren und dis­ku­tieren sich lohnt: „Was geschieht mit dem Leben, wenn es auf­hört, Gegen­wart zu sein?“

 

Der Fokus der Hand­lung ver­legt sich nun in eine Gegen­wart, in der Pla­tonov mitt­ler­weile zu einer welt­weiten Berühmt­heit auf­ge­stiegen ist: Er gibt Inter­views, ist bei Staats­leuten zu Gast und erhält Wer­be­ver­träge. Vodo­lazkin ent­wirft eine pro­fit­ge­steu­erte Maschi­nerie, zwi­schen deren Rädern der Prot­ago­nist erdrückt zu werden droht. Die bild­liche Vor­stel­lung, dass er nun für Fein­frost­pro­dukte und ein­ge­fro­rene Preise bei Möbel­ketten posiert, lässt das Lese­pu­blikum pein­lich berührt zurück.

 

 

In seiner Ein­sam­keit majes­tä­ti­scher Aviator

Die deut­sche Über­set­zung des Buches stammt von Ganna-Maria Braun­gardt und erschien 2019 im Aufbau Verlag. Die Worte und Sätze reihen sich flüssig zu einer mit­rei­ßenden Geschichte anein­ander. Einzig der mit Luft­gänger über­setzte Titel passt nicht per­fekt ins Bild, da er in keiner direkten Ver­bin­dung zum Inhalt steht. Das Kind Pla­tonov träumte davon, Pilot – nein! – Aviator zu werden. Der Klang dieses Wortes ver­eint „die Schön­heit des Flie­gens und das Dröhnen des Motors, Frei­heit und Kraft“. Dieser melo­diöse Archaismus hätte sich auch im Deut­schen eine titel­ge­bende Funk­tion ver­dient. Zudem lohnt sich ein Blick auf das Cover der rus­si­schen Aus­gabe, wel­ches den Angel­punkt der Geschichte bild­lich aufgreift.

 

Nach diesem Höhen­flug hero­isch-roman­ti­scher Phan­ta­sien über die Ein­sam­keit schlägt der 30-Jäh­rige, gleichsam seinem Helden aus Kin­der­tagen, Robinson Crusoe, auf einer ein­samen Insel auf, inmitten von einem Meer fremder Zeit. Dort gibt es kuriose Fern­seh­sen­dungen, die das „Über­leben“ von medi­en­geilen Men­schen auf einer ein­samen Insel doku­men­tieren. In Anbe­tracht der Erfah­rungen, die Pla­tonov auf den Solovki-Inseln gemacht hat, zeichnet Vodo­lazkin ein an Zynismus kaum zu über­tref­fendes Realitätsverständnis.

 

Selbst­dar­stel­lung der Persönlichkeit

Das ange­spro­chene Streben nach öffent­li­cher Selbst­dar­stel­lung lässt sich nicht mit dem Zeit­geist der Titel­figur ver­einen. Zahl­reiche tech­ni­sche Neue­rungen haben zu einem Wandel in Inter­essen und Prio­ri­täten der modernen Gesell­schaft geführt. Durch Pla­to­novs distan­zierte Betrach­tungs­weise wird ein kri­ti­sches Nach­denken dar­über ange­regt. Ein bestimmtes gesell­schaft­li­ches Phä­nomen tritt jedoch auch bei ihm auf: Die soge­nannte „Fear of Missing Out“, die Angst, etwas zu ver­passen – bzw. in Pla­to­novs Fall – etwas ver­passt zu haben: „Ich emp­finde bren­nende Sehn­sucht nach meinen unge­lebten Jahren. Eine Art Phantomschmerz.“

 

Im Gegen­satz zu den beschrie­benen Ver­än­de­rungen ist es aller­dings über­ra­schend, welche Aus­sagen Vodo­lazkin der 19-jäh­rigen Nastja in den Mund legt: „Er ist der Mann, er ent­scheidet“ oder (an Pla­tonov gewandt): „Zwei Damen sind voll und ganz von dir abhängig“. Hier zeichnet der Autor ein ver­staubtes Frau­en­bild, wel­ches gleichsam wie Pla­tonov vom Anfang des 20. Jahr­hun­derts stammt, aber kei­nerlei sti­lis­ti­sche Effekte mit sich bringt.

 

Gegen das Vergessen

Bei Aviator han­delt es sich um einen his­to­ri­schen Roman mit Ele­menten der Sci­ence-Fic­tion. Her­vor­zu­heben ist, dass Vodo­lazkin sowohl auf reale Per­sön­lich­keiten und Bege­ben­heiten zurück­greift als auch fik­tive erschafft. Eine Unter­schei­dung erweist sich (für das in rus­si­scher His­torie weniger bewan­derte Lese­pu­blikum) mit­unter nicht immer als offen­sicht­lich. Es lohnt sich daher, zwi­schen­durch den einen oder anderen Namen nach­zu­schlagen und so auch span­nende Hin­ter­grund­in­for­ma­tionen einzuholen.

 

Pla­tonov führt seine Tage­buch­ein­träge äußerst male­risch aus. Er ergänzt das bloße his­to­ri­sche Mate­rial durch Aus­füh­rungen zu Geräu­schen und Gerü­chen, mit der Begrün­dung, dass diese nicht in den Geschichts­bü­chern nach­ge­lesen werden können. Somit schreibt er gegen das Ver­gessen – ein Appell an die Lesenden des Romans. Mit diesem ist Vodo­lazkin ein wahrer Kunst­griff gelungen. Er ver­webt ein span­nendes For­schungs­ge­biet der Zukunft mit geschichts­träch­tigen Ereig­nissen der Ver­gan­gen­heit. Zusammen ergibt sich eine Hand­lung, welche mit­rei­ßend erzählt und zudem mit einigen über­ra­schenden Wen­dungen gespickt ist.

 

Lite­ratur

Vodo­lazkin, Evgenij: Aviator. Moskva 2016.

Wodo­laskin, Jew­geni: Luft­gänger. Aus dem Rus­si­schen von Ganna-Maria Braun­gardt. Berlin 2019.