Redak­tion „novinki“

Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin
Sprach- und lite­ra­tur­wis­sen­schaft­liche Fakultät
Institut für Slawistik
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Kein Denken in Bil­dern: Inter­view mit Zoran Ferić

Gibt es einen bes­seren Blick­winkel, als den der eigenen Familie, um auf fast hun­dert Jahre Geschichte zurück­zu­bli­cken und dar­über zu schreiben? Zoran Ferić erzählt uns einen Teil der Welt­ge­schichte durch die Fami­li­en­ge­schichten seiner Mutter und seines Vaters und bringt uns das Ehe­leben seiner Eltern näher, das er nur zu gut und intensiv mit­er­lebt hatte. Sein Gene­ra­tio­nen­roman ver­eint Familie mit Zeit­ge­schehen. Wie­viel Gutes und wie­viel Schlechtes dabei her­aus­kommt, weiss man wie so oft erst, wenn das Leben fertig gespielt hat. Wir finden in seinem Roman Kitsch, wie ihn Kun­dera beschrieben hatte, ein Haufen Ehr­lich­keit und Schmet­ter­lings­ef­fekte, die aus kleinen, scheinbar unbe­deu­tenden Ereig­nissen viel Leid, aber auch Glück ent­stehen ließen, ohne wel­ches es Zoran Ferić und diesen Roman heute nicht geben würde.

Domagoj Odrljin hat sich mit Zoran Ferić per E‑Mail über einen Roman unter­halten, der noch nicht ins Deut­sche über­setzt ist:  Putu­juće Kaza­lište (dt.: Rei­sendes Theater).

Das Gespräch kann auf Kroa­tisch hier nach­ge­lesen werden.

 

Domagoj Odrljin: Herr Ferić, in Ihrem 2020 auf Kroa­tisch erschie­nenen Roman Putu­juće Kaza­lište (dt.: Rei­sendes Theater) erwähnen Sie am Anfang Ihres Romans im Prolog eine Foto­grafie. Und das erste Kapitel Schatten endet mit einer Foto­grafie, die wir wirk­lich sehen. Diese Foto­grafie lässt darauf schliessen, dass noch wei­tere folgen werden. Aber es kommen keine wei­teren vor. Ich habe mich gefragt, warum Sie die Bilder, z.B. die gemalten Bilder des Gross­va­ters Ben­jamin Bern­stein, nur erwähnen, aber nicht zeigen. Geht es darum, Gedanken auf­zu­zeigen, die nicht mehr voll­ständig vor­handen sind? Oder wäre Ihre Fami­li­en­ge­schichte sonst zu real und fak­tual geworden?

 

Zoran Ferić: Ich wollte von Anfang an nur die erwähnte Foto­grafie mit­t­ein­bauen. In erster Linie, weil ich kein doku­men­ta­ri­sches Buch, son­dern einen Roman schrieb. Auch wenn gewisse Doku­mente das Fun­da­ment des Romans sind, so wollte ich ihn nicht mit diesen über­laden. Es ist viel Fik­tion darin vor­handen und das macht es zu einem Roman. In zweiter Linie ist die Foto­grafie sehr unge­wöhn­lich, laut man­chen Men­schen auch scho­ckie­rend. Des­wegen hat sie hier ihren Platz, auf­grund ihrer Ironie und Unge­wöhn­lich­keit. Es ist näm­lich iro­nisch, dass die ein­zige Foto­grafie meiner Groß­el­tern (müt­ter­li­cher­seits) genau die ist, auf der sie nicht zu erkennen sind. Da ist eine iro­ni­sche, aber auch schreck­liche, unheim­liche Abwe­sen­heit. Wei­tere Foto­gra­fien würden das Buch in eine Fami­lien-Mono­grafie ver­wan­deln, was ich ver­meiden wollte.

 

D.O.: Das ein­zige andere Bild, wel­ches ich aus dem Roman mit­ge­nommen habe, ist, wie Sie sehen, Ihr Stamm­baum, den ich wäh­rend des Lesens ver­voll­stän­digt habe. Und wenn ich jetzt über ihren Stamm­baum nach­denke, sehe ich auf diesem Blatt Papier den Raum, der unge­nutzt blieb, die hastig nie­der­ge­schrie­benen Buch­staben, das Papier und den Tisch, auf dem ich gelesen habe. Alle diese Erin­ne­rungen erscheinen mir jetzt wie Ein­dring­linge in die gesamte Erin­ne­rung an Ihren Roman. Ist dies das Denken in Bil­dern, das Sie erwähnen? Wie “wenn du in Bil­dern denkst, dann geschieht es oft, dass ein Bild so domi­nant und ver­lo­ckend wird, das jener, der denkt, an keine anderen Bilder mehr denken kann”?

 

Z.F.: Ich weiss nicht, ob dies ein Bei­spiel für das Denken in Bil­dern ist, aber ich dachte dabei an etwas sehr Kon­kretes. Wenn man in Bil­dern denkt, domi­nieren übli­cher­weise ein oder zwei Bilder. Dies ist jedoch kein (Nach-)denken, es ist eine Vor­stel­lung des Bildes, nach wel­chem man sich sehnt. Gleich­zeitig ist es jedoch sehr ein­engend, da sich der Mensch durch solche Vor­stel­lungen in den meisten Fällen einem Kitsch nähert, aus wel­chem er nicht mehr rational über seine Wün­sche oder über seine eigene Situa­tion nach­denken kann. Sie können das mit einer schwan­geren Frau ver­glei­chen, die über das Leben mit einem Kind nach­denkt, dabei jedoch nur zwei Bilder sieht: sich selbst mit dem Kin­der­wagen und wie sie damit stolz die Straße ent­lang geht. Was sie nicht sieht, sind die schlaf­losen Nächte, Kin­der­krank­heiten, Angst, manchmal Wut, das Gefühl feh­lender Frei­heit, des Gefangen-Seins usw.

 

D.O.: Beziehen Sie sich da auf den Kitsch, vor wel­chem ihre Mutter pani­sche Angst hatte und den Ihr Vater ver­kör­perte? Heißt das, dass Ihr Vater mit seinem Hang zum Kitsch dem­nach auch das Denken in Bil­dern verkörperte?

 

Z.F.: Der Kitsch, der aus dem Denken in Bil­dern her­vor­tritt, ist nur dieses eine Bild, wel­ches von allem anderen, von der Kon­ti­nuität und der Logik des Gesche­hens getrennt ist. Das ist wie, wenn wir uns selbst am Strand beim Son­nen­un­ter­gang vor­stellen, aber weder davor noch danach etwas exis­tiert. Es ist eine Sack­gasse. Dieses Bild ist also Kitsch, weil es unecht ist. Es hat keine Mee­res­brise, keine Mücken am Ufer und auch sonst nichts, was das Bild echt machen würde. Dieses Denken in Bil­dern kann auch auf den Vater im Roman über­tragen werden, der sich gerne auf der Jagd wähnt, sich wie ein Jäger kleidet, selbst jedoch kaum auf die Jagd geht. Er lebt somit in diesem Frag­ment fern von der Rea­lität, indem er von den unechten Bil­dern zehrt.

 

D.O.: Wenn das Denken in Bil­dern ein Pro­blem sein kann, wie ver­hält es sich dann beim Denken in Gerü­chen? Ist dies nicht sogar kom­plexer, wenn Sie im Roman schreiben, dass Ihr Onkel Stjepan Ihnen eine duf­tende Ankün­di­gung des Todes hinterließ?

 

Z.F.: Gerüche sind kom­plexer, weil sie asso­zia­tiver und abs­trakter sind. Das Pro­blem beim Denken in Bil­dern ist, dass es über­haupt nicht kom­plex ist. Es ist im Grunde genommen betäu­bend, wohin­gegen Geruchs­as­so­zia­tionen der Asso­zia­ti­ons­kraft der Musik ähn­lich sind. Des­wegen mag ich Gerüche.

 

D.O.: Die Zeit scheint mir den ganzen Roman hin­durch die ein­zige Kon­stante oder sogar, auch wenn unsichtbar, die Haupt­figur zu sein. Sie beschreiben die Zeit als eine ver­wir­rende Dimen­sion, weil wir sie nicht hören, nicht sehen, und erst spüren, wenn sie vorbei ist. Kann der Roman als Erin­ne­rung daran gelesen werden, dass alles um uns herum und wir alle selbst eines Tages obsolet werden?

 

Z.F.: Sie haben Recht, die Zeit ist eine der Figuren. Ein ganzes Kapitel han­delt davon. Dazu kommt noch das flüch­tige Motiv der Uhren. Der Roman selbst ist auch chro­no­lo­gisch ange­ordnet und die Zeit ist immer prä­sent, in Erin­ne­rungen, als eine Uhr, als unge­wisse Zukunft, als Tod…

 

D.O.: Eine Sache, die, wie es scheint, nie obsolet werden wird, ist die Dis­kus­sion dar­über, “wessen Alter ein Ustaša und wessen ein Par­tisan war”, wie es im Lied Smak svi­jeta von TBF zu hören ist. Auch der junge Tvrtko hat das schon ein­ge­sehen, als er sich fragte, wie viele Gene­ra­tionen es noch brauche, damit dieses ‘öst­liche Blut’ end­lich ver­braucht und ver­schwinden würde. Besteht die Mög­lich­keit, dass es solche Dis­kus­sionen eines Tages nicht mehr geben wird? Falls ja – wie?

 

Z.F.: Ich wollte kei­nes­wegs einen Roman über Ustaša und Par­ti­sanen schreiben. Oder nur dar­über. In unserer poli­ti­schen Welt ist diese Dis­kus­sion ein all­ge­meiner Ort und äußerst belas­tend. Im Rahmen eines lite­ra­ri­schen Kon­texts, der eine gewisse Zeit behan­delt, ist dies jedoch unaus­weich­lich. Vor allem, wenn auf beiden Fami­li­en­seiten Mit­glieder umge­bracht wurden. Wie wir sehen, braucht es viele Gene­ra­tionen. Ich hoffe, dass dies kein sol­cher Roman ist. Ich war mir jedoch schon wäh­rend des Schrei­bens bewusst, dass dies einige junge Men­schen über­haupt nicht interessiert.

 

D.O.: Dies ist auch einer der Gründe, wes­halb Mimicas Eltern nicht möchten, dass sie Petar Čirić hei­ratet und sich dem rei­senden Theater anschliesst. Worauf bezieht sich eigent­lich der Titel des Romans, außer auf das rei­sende Theater von Petar Čirić? Auf die Geschichte als Theater? Die Hand­lung erstreckt sich immerhin fast über das ganze 20. Jahr­hun­dert. Oder auf die Familie?

 

Nicht nur auf die Geschichte als Theater, son­dern auch auf unsere Rollen darin. Eine Cha­rak­te­ristik des Schau­spie­lens und der Schau­spiel­rolle ist, dass es etwas Irreales und Ver­gäng­li­ches ist. Unsi­cher, jedoch beein­dru­ckend, solange es andauert. So ist es auch, wenn wir an Men­schen von früher und an deren Rollen im Leben denken. Die zeit­liche Distanz rela­ti­viert das so schön, dass es fast einer Thea­ter­vor­stel­lung gleicht.

 

D.O.: Eine Szene hat bei mir einen blei­benden Ein­druck hin­ter­lassen: Wäh­rend der Blut­fleck, für wel­chen Zoran ver­ant­wort­lich ist, auf dem Hemd des Schul­kol­legen wächst, spielt im Hin­ter­grund das Lied „Fly, Robin, fly“. Der Blut­fleck wächst zu den Takten eines fröh­li­chen, funky Liedes. Mir gefällt der Wider­spruch dieser gro­tesken Szene und erin­nert mich an den Film „Joker“ (2019) von Todd Phil­ipps. Und Zorans Auf­ent­halt “auf einer Art Inten­siv­sta­tion für Ver­rückte” erin­nert mich an „One Flew Over the Cuckoo’s Nest“ (1975) von Miloš Forman. Ich denke, da ver­birgt sich eine gute Idee für einen Roman oder einen Kurz­film. Was denken Sie?

 

Z.F.: Mir ist völlig klar, wes­halb Sie solche Asso­zia­tionen haben. Wahr­schein­lich spricht es für den Text, dass wir uns diesen als Film denken können. Diese Szene habe ich aller­dings nicht so auf­ge­baut, wie ich es sonst in einem Roman tue, indem ich mir einen Kon­trast aus­denke, das Ereignis dyna­mi­siere und die Atmo­sphäre forme. Zu einem gewissen Teil, habe ich das auch hier getan, jedoch nicht voll­ständig. Die Szene mit dem Mes­ser­stich und die aus der Psych­ia­trie in Vrapče ent­spre­chen fast der Wahr­heit. Sie sind so geformt, wie ich sie mir gemerkt habe. Sie sind Teil meiner Bio­grafie. Und was den Film betrifft – ich hätte Freude daran, wenn sich jemand dessen annehmen würde.

 

D.O.: Wenn wir schon bei Wider­sprü­chen sind: Zorans Mutter zufolge ist es für den Men­schen am gefähr­lichsten, wenn er her­aus­sticht, wie Josipa Lisac, Edo Murtić oder Vojin Bakić. Car­mela, die im Roman ständig gegen jeg­liche (fan­tom­hafte) Kon­ven­tionen ankämpfte und viele Männer in ihrem Leben hatte, wurde immer unglück­li­cher, weil sie her­aus­stach. Zorans Mutter, welche nicht her­aus­stach (vor allem nicht in ihrer Weib­lich­keit), war eben­falls unglück­lich. Haben Sie bewusst über gewisse Wider­sprüche im Roman nach­ge­dacht oder kam dies so zustande, weil das Leben halt so spielt?

 

Z.F.: Ich befürchte, dass das Leben so spielt. Die Angst meiner Mutter kommt von dem, was sie im Krieg und danach durch­ge­macht hatte. Der ganzen Gene­ra­tion wurde ein­ge­trich­tert, man solle nicht her­aus­ste­chen, son­dern sich an die Mitte halten. Die Mitte rettet Leben in unge­wöhn­li­chen Situa­tionen wie in Kriegen, Pogromen, Geno­ziden usw. Die Furcht meiner Mutter war ein Fakt ihrer Gene­ra­tion, sowie es Car­melas stän­dige Auf­leh­nung war. Car­mela wurde von der Rock­kultur und der sexu­ellen Revo­lu­tion geprägt, aber auch von der Kunst. Und die Kunst kann nicht mit Medio­krität einhergehen.

 

D.O.: Für jedes Men­schen­schicksal im Roman gibt es einen schwer­wie­genden Satz, bei dem wir als Leser_innen aufhorchen.

Bei­spiel: “Eines Tages, wir hatten uns länger als ein Jahr nicht mehr gesehen, sagte sie: – Weißt du, mir fehlen diese Abend­essen. Mir fehlten sie auch. Da wurde klar, dass sie gerne von ihren Män­nern erzählt, um mir zu zeigen, wie unbe­deu­tend ich in ihrem Leben war. Natür­lich erfolglos. Ich mochte diese Geschichten, weil mir immer wieder klar wurde, wie unglück­lich sie war. Es kam ein Mann nach dem anderen und sie wurde immer unglücklicher.”

Oder: “Bring das Kind zur Welt, du wirst immerhin jemanden haben, den du wirk­lich lieben wirst!”

Hor­chen Sie bei so schweren, bedeu­tungs­vollen und  ehr­li­chen Worten auch auf?

 

Z.F.: Natür­lich horche ich auch auf. Der erste Aus­schnitt ist das Fazit eines Tref­fens der Haupt­fi­guren, nachdem diese keine Lieb­haber mehr sind. Trotzdem herrscht manchmal noch eine gewisse Anzie­hung. Gleich­zeitig tragen beide noch schmerz­hafte Momente, Krän­kungen aus dieser Bezie­hung mit sich, wes­halb sie sich auch später noch gegen­seitig ver­letzen möchten. Und zwar um ihr Ego vom Gefühl des Kum­mers und des Ver­säumten zu retten. Den zweiten Satz hat meine Tante meiner Mutter gesagt, als sie schwanger war und über Abtrei­bung nach­dachte. Im Roman wurde ihr das von ihrer Freundin gesagt. Doch wichtig ist, dass diese Worte aus­ge­spro­chen wurden und ich trotzdem geboren wurde. Dieser Satz ist mir äußerst wichtig.

 

D.O.: Ich habe in Ihren vor­he­rigen Inter­views bemerkt, dass es Ihnen nichts aus­macht, wenn man Sie nach Ihrer Mutter, nach Ihrem Groß­vater und nicht nach Zorans Mutter oder Zorans Groß­vater fragt. Als ob Sie eine Auto­bio­grafie, und nicht einen auto­bio­gra­fi­schen Roman geschrieben hätten. Autor_innen stören sich oft daran und distan­zieren sich dann von den Figuren des Romans. Wie stehen Sie dazu? Sind die Grenzen zwi­schen dem realen Leben und der Fik­tion in Ihrem Buch etwas umnebelt?

 

Z.F.: Viel­leicht sind sie umne­belt, viel­leicht bin ich ein Exhi­bi­tio­nist, wer weiß. Was mich jedoch sehr stark nervt, ist diese Mys­ti­fi­ka­tion um die Bio­grafie und die Figuren. Es stimmt, dass wir, sobald wir eine Figur durch Sprache formen, Lite­ratur schaffen und dass es sich dann um eine Figur han­delt. Ich will aber die Ver­bin­dung zwi­schen dem, was wirk­lich geschehen ist, und dem, was sprach­lich geformt wurde, NICHT ver­bergen. Es scheint mir unehr­lich, sich hinter der Lite­ratur zu ver­bergen. Also, dies ist ein Roman. Dies ist aber auch ein Roman, der auf dem Fun­da­ment meines Lebens und dem meiner Eltern ent­standen ist. Auch wenn ich mir gewisse Szenen aus­ge­dacht und andere umge­formt habe, ist das reale Leben noch immer das Rück­grat von allem Geschriebenen.

 

D.O.: Hat sich Ihr Bild von Ihren Fami­li­en­mit­glie­dern nach dem Schreiben dieses Romans ver­än­dert? Denken Sie nun weniger in Bil­dern oder sogar vermehrt?

 

Z.F.: Nein, mein Bild von meinen Eltern und meinem Groß­vater (bzw. vom Onkel meiner Mutter) hat sich nicht bedeu­tend ver­än­dert. Man muss betonen, dass dies Men­schen sind, deren Tod immerhin schon weit in der Ver­gan­gen­heit liegt. Es gibt sie schon seit 40, 50 Jahren nicht mehr, und in sol­chen Fällen führen wir sie uns nicht oft vor Augen. Der Roman hat mir geholfen, mich irgendwie wieder mit ihnen anzu­freunden, sie aber auch objek­tiver zu sehen, ernst­haft über sie nach­zu­denken und sie als erwach­sene Per­sonen zu betrachten. Dieser Roman ließ mich auch ein biss­chen wachsen, aber das, was ich früher über meine Fami­li­en­mit­glieder dachte, denke ich im All­ge­meinen auch heute noch. Und ich liebe sie noch immer gleich stark.

 

D.O.: Ist oder war Zoran Ferić unglück­lich? Im Roman werden Beet­hoven, Schu­bert, Račić, Michel­an­gelo, Stra­vinsky und Prešeren erwähnt, die alle unglück­lich waren, aber der Mensch­heit doch etwas hin­ter­lassen haben. Sie haben der Mensch­heit auch schon einige Werke hin­ter­lassen. Denken Sie über Ihre Hin­ter­las­sen­schaft nach?

 

Z.F.: Wäh­rend einer Lebens­pe­riode war ich wirk­lich vor­wie­gend unglück­lich, doch dieses Unglück wurde glück­li­cher­weise durch viele schöne Erleb­nisse, Inter­essen, Bücher usw. gelin­dert. Was die Mensch­heit betrifft, denke ich natür­lich nicht in diesen Kate­go­rien, also dass ich etwas hin­ter­lassen hätte. In einem kleinen Seg­ment, oder sogar Mikro­seg­ment meiner Gedanken denke ich daran, aber ich sehe es auch als etwas, das die Zeit sehr bald ver­schlingen wird.

 

D.O.: Onkel Stjepan: “Ich wurde von Bienen erzogen.”

Die Mutter Vero­nika: “Ich wurde von Män­nern erzogen.”

Zoran Ferić: “?”

Wer hat Zoran Ferić erzogen?

 

Z.F.: Eine sehr gute Frage. Ich befürchte, dass Zoran Ferić haupt­säch­lich von Zoran Ferić erzogen wurde. Und, jetzt sehe ich klar, dass er keine gute Arbeit geleistet hat.

 

Das Gespräch führte Domagoj Odrljin.